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Was heisst es eigentlich, arm zu sein in der Schweiz?

01.10.2024

Bilder von Kindern mit dünnen Beinchen und hungrigen Blicken kennt man aus den Medien. (Kinder-)Armut in der wohlhabenden Schweiz können sich viele dagegen schlecht vorstellen. Wir klären auf, was es für einen Menschen hierzulande bedeutet, mit sehr wenig Geld auskommen zu müssen.

Ab wann ist man eigentlich arm?

Armut hat verschiedene Definitionen. Während extreme Armut von der Weltbank definiert wird und bedeutet, dass man mit weniger als 1.90 US-Dollars pro Tag auskommen muss, ist die relative Armut in jedem Land ein wenig anders. Relative Armut heisst, dass eine Person arm ist im Vergleich zur Gesellschaft, in welcher sie lebt. Die SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) definiert Armut offiziell so:

«Armut als relatives Phänomen bezeichnet Unterversorgung in wichtigen Lebensbereichen wie Wohnen, Ernährung, Gesundheit, Bildung, Arbeit und sozialen Kontakten. Bedürftigkeit besteht, wenn ein Haushalt die notwendigen Ressourcen für die Lebenshaltung nicht selbst aufbringen kann bzw. wenn das Haushaltseinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern unter dem sozialen Existenzminimum liegt.»

Um das in Zahlen auszudrücken: Alle, deren Einkommen unter folgenden Werten liegt, gelten als armutsbetroffen in der Schweiz:

  • Ca. 2700 CHF für Einzelpersonen
  • Ca. 3900 CHF für Paare ohne Kinder
  • Ca. 4100 CHF für Einzelperson mit 2 Kinder
  • Ca. 5000 CHF für Paare mit 2 Kinder

Mit diesem Geld müssen Wohnung, Krankenkasse, Essen, Kleidung, Mobilität, Spielzeug, Ferien, Mobilfunkverträge und alles andere, was zum Leben benötigt wird, gezahlt werden.

Insgesamt leben 702‘000 Menschen in der Schweiz in Armut, davon sind 99‘0000 Kinder. Nebst diesen 8.2% der armutsbetroffenen Personen, gelten nochmals fast 638‘000 als armutsgefährdet (und leben nur ganz knapp über der obigen Armutsgrenze).

Gründe für Armut

Menschen, ob jung oder alt, können aus unterschiedlichen Gründen arm sein. Hier eine kleine Auflistung an Faktoren, die Armut auslösen oder verstärken können:

  • Krankheit
  • Unfall
  • Scheidung
  • Fehlende Ausbildung
  • Schicksalsschläge
  • Niedriges Gehalt
  • Teuerung
  • Psychische Probleme
  • Suchtproblematiken
  • Konsum (diverse Arten davon)

Im Gegensatz zu dem Vorurteil, dass arme Menschen einfach zu wenig arbeiten und deswegen „selber Schuld“ sind, sieht man, dass viele dieser Faktoren nicht ganz so einfach beeinflussbar sind. Ein Unfall kann reichen, um eine Negativspirale hervorzurufen. Zudem steigt der Anteil der „Working poor“ (Arbeitende, die trotzdem unter die Armutsgrenze fallen) jährlich weiter an.

Wer in eine armutsbetroffene Familie geboren wird, hat zudem leider schlechtere Voraussetzungen. Und gerade die Kinder können schlussendlich gar nichts dafür, dass ihre Eltern armutsbetroffen sind.

Armut ist für Kinder eine Belastung

Egal ob ein Elternteil eine Suchtproblematik hat, als Flüchtling in die Schweiz gekommen ist oder sich gerade scheiden liess und deswegen nur wenig Geld hat – Kinder bekommen die Belastung mit. Der Alltag der Eltern und Kinder ist geprägt von Sorgen über Geldknappheit, was sich häufig auch auf schulische Leistungen und das Selbstwertgefühl auswirkt. Zusätzlich belastend ist auch der soziale Ausschluss.

 

Sozialer Ausschluss wegen Armut

Wohnung, Krankenkasse, Essen. Viel Geld bleibt danach nicht übrig. Das kann heissen: Kein Hallenbad, kein Kino, kein Verein, kein Ausflug in die Berge, kein Auswärtsessen, kein Zahnarzt, keinen Skitag, kein Klavierunterricht und noch vieles mehr, was einfach zu teuer ist.

Klar gibt es auch ein paar kostenfreie Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, trotzdem bedeutet wenig Geld sehr schnell auch sozialer Ausschluss. Eins trinken gehen nach dem Fussballtraining liegt da nicht drin. Vielleicht weniger schockierend als die Bilder von ausgehungerten Kindern, aber wenn das Geld für die Schulreise fehlt, ist das weder für die Eltern noch für’s Kind lustig.

Aber der Staat hilft doch?

Wer zu wenig Geld hat, kann Sozialleistungen beantragen. Dafür muss man sich ziemlich „blank“ machen. Andere Menschen komplett in die eigenen Finanzen schauen zu lassen, ist für viele eine sehr schwierige Erfahrung. Sprachbarrieren, Unwissen und eine Fülle an teils komplizierten Formularen erschweren den Gang zum Sozialamt zusätzlich.

Und dann kommt noch die Scham dazu. Scham, dass man es nicht „selber schafft“, obwohl diese Person vielleicht einfach nur krank geworden ist, einen Schicksalsschlag oder Unfall erlitten hat. Egal, wo armutsbetroffene Menschen interviewt werden – meist werden ihre Namen geändert, sie bleiben lieber anonym.

Warum gibt es Kovive?

Kovive setzt sich seit 70 Jahren für sozial und finanziell benachteiligte Kinder in der Schweiz ein. Denn schon damals haben die Schwächsten unserer Gesellschaft Hilfe benötigt.

„Einfach mal Kind sein“ ist für viele armutsbetroffene Kinder keine Realität. Damit sie trotzdem etwas aus ihrem belastenden Alltag ausbrechen können, gibt es unsere Kovive-Camps. Am Einkommen der Eltern orientierte Teilnahmegebühren ermöglichen es allen sozialen Schichten, eine Woche Ferien voller Abenteuer zu erleben. Dank Spenden können wir unsere Campbeiträge ab 180.- ermöglichen, auch wenn uns ein Kind durchschnittlich ca. 1000 CHF pro Lager kostet.

Aber auch bei Engpässen der Betreuung – sei es wegen den Schulferien, Arbeitseinsätzen am Wochenende oder zur Entlastung – springt Kovive ein. Dank unseren Betreuungspartner*innen haben sozial und finanziell benachteiligte Kinder ein zweites Zuhause, wo sie Halt, Geborgenheit und Schutz erfahren. Gleichzeitig wird die Herkunftsfamilie entlastet. Auch hier sind die Beiträge stark durch Spenden finanziert.

Wer nutzt denn unsere Angebote?

Bei Kovive-Betreuungspartner*innen zuhause oder in einem Kovive-Lager sind vor allem sozial und finanziell benachteiligte Kinder. Oft leben sie bei einer alleinerziehenden Person, sind als Flüchtlinge hergekommen oder leben teilweise auch in einem Kinderheim.

Ein konkretes Beispiel, wo Kovive helfen konnte: Eine alleinerziehende Person (der andere Elternteil zahlt keine Alimente) braucht dringend Unterstützung für die Ferienbetreuung der Kinder während den 13 Wochen Schulferien. Diese Person ist in die Schweiz geflüchtet, hat kein soziales Netz und muss aus gesundheitlichen Gründen immer wieder ins Spital. Dank Kovive hat sie Betreuungspartner*innen gefunden, die ehrenamtlich helfen, und den Kindern ein zweites Zuhause schenken.

Ein zweites Beispiel: Ein Familienbegleiter rief an und erzählte, dass er eine Familie begleite, welche über sehr knappe Mittel verfüge. Jeder Franken müsse gedreht werden und die Eltern können ihren vier Kindern keine Teilhabe an Freizeitaktivitäten aus Kostengründen ermöglichen (Junge möchte gerne ins Schwimmen, Schwimmbadeintritt und Kurskosten seien zu teuer). Auch die Lager sind für sie nicht finanzierbar. Trotzdem brauchen die Kinder dringend soziale Kontakte und positive Erfahrungen ausserhalb des Hauses. Deshalb erfragt der Familienbegleiter, ob es möglich wäre den niedrigsten Tarif bei den Lagern zu erhalten. Für 180 Franken pro Kind, können diese Kinder so eine Woche in einem Camp verbringen, inklusive Übernachtung und Verpflegung.

Diese Hilfe kann Kovive nur dank der ehrenamtlichen Campleitenden / Betreuungspartner*innen und Spenden von Privatpersonen und Stiftungen ermöglichen.

Sie wollen helfen?

Sie können gemeinsam mit Kovive Kinderarmut auf viele verschiedene Arten bekämpfen.:

Wir freuen uns über Zeit- und Geldspenden, um gemeinsam eine Zukunft ohne Kinderarmut in der Schweiz zu schaffen.